Michael Rath                              Muselmanns Liebe

1800 - ?

 

1. Mahumet, Amurath’s Sohn.

 

Auf Konstantin’s gestürztem Kaiserthrone

Befahl der Großherr kühner Muselmannen,

Mahumet, der an seine Türkenfahnen

Mit Macht und Glück gebannt die Siegessonne.

 

Amurath schwelgt’ in Varna’s Blut mit Wonne

Und schlug zur Dardanelle seine Bahnen.

Mit krummem Schwert die Byzanz zu umspannen,

Gelüstet’ und gelang nun seinem Sohne.

 

Des Römerreiches letzte Hemisphäre

Erlag des Siegerjünglings wilden Streichen,

Hochlüstern sich ein neu Gebiet zu schaffen.

 

Es stürzt des Christenkreuzes heil’ge Ehre,

Und herrschend stieg des Mondes furchtbar Zeichen

Empor am Feierabend ruh’nder Waffen.

 

 

2. Irene

 

Aus Hunderttausenden, die vom Kolosse

Des alten Reichs im Donnersturz erschlagen,

Wollt’ das Geschick ein Weib zu schöpfen wagen,

Das hunderttausend Leben werth entsprosse.

 

Irene hieß die seltne Blüthensprosse.

Herab aus Paradieses Frühlingstagen,

So däucht sie, hab’ ein Engel sie getragen,

So ganz der Himmelshuldinnen Genosse.

 

Der Rose Stolz muß tief vor ihr versinken,

Der Perle Schmelz, die Lilie selbst erbleichen,

Der Mond vergeh’n vor ihrer Locken Golde.

 

Mit ihrer Augen wundermildem Blinken

Mag aller Sterne Pracht sich nicht vergleichen.

Denn einzig herrscht im Reiz das höchste Holde!

 

 

3. Die Lieblichste

 

Von eines Gottes Kuß war sie durchdrungen,

Der ihrer Zauber Knospe von den Strahlen

Der jungen Morgenröte ließ umwallen,

Vom zarten Thauesperlenband umschlungen.

 

Wem ihres Anblicks Götterloos gelungen,

Dem mußt es durch der Seele Wogen schallen:

„Die Einzige von Millionen allen

Löscht gleich dem Lethe all Erinnerungen.“

 

Ein Siegen war ihr Kommen und Erscheinen.

Vor ihrer Milde, die auf linden Schwingen

In Aller Herzen taucht der Liebe Funken,

 

Zerrann der Haß in sanftversöhnend Weinen.

Solch süßer Pracht kann Keiner sich entringen,

Dem in des Busens Raum ihr Blick gesunken!

 

 

4. Finden

 

Mahumet stolz in des Triumphes Schimmer,

Umschaart von seinen Sklaven, seinen Bassen,

Wie von der Tiger raubergrimmten Massen,

Durchspürt der Meerstadt brandentriss’ne Trümmer.

 

Der Schutt verschloß der Sterbenden Gewimmer.

Der Tod versöhnt im schweigenden Umfassen

Sich mit den Leben, deren Schuld erlassen.

Doch blitze noch des Fürstenschwertes Flimmer.

 

Versehrend naht er einer Hainbosquete

In eines Gartens Goldorangenringe,

Irenen’s Hort im Leid und Mißgeschicke.

 

Des Siegers Donner brach die Blätterkette.

Er sieht die Griechin, bebt und wirft der Klinge

Erloschnen Blitz weit hinter sich zurücke!

 

 

 

5. Der Liebe Macht

 

Und um des Siegers Stolz war es geschehen.

Der mächt’ge Gott mit zartem Blumenflügel

Ergriff des rauhen Kriegsgespannes Zügel,

Und ließ des Friedens Lilienflagge wehen.

 

Mahumet’s Trotz entwich. Ein sanftes Flehen

Erbrach der Herrscherlippen ehern Siegel,

Und durch der Adleraugen Flammenspiegel

Fühlt er ihr Bild sich tief zu Herzen gehen.

 

Da faßt ihn stark der mildern Triebe Walten,

Und seine Bassen, die des Wunders staunen,

Beschickt er rasch mit dem Gebieterworte:

 

Laßt fröhlich sich die Friedensfahn’ entfalten,

Und durch den Klang der schmetternden Posaunen

Die Ruh’ verkünden von der hohen Pforte!

 

 

6. Irenens Lied

 

„Die Waffen ruh’n; es heilen alle Wunden,

Und lächelnd allen Herzen naht der Frieden.

Die Blumenbande, die das Schwert geschieden,

Hat holder nur der neue Lenz gewunden.

 

Ich fühl’ es ganz, die den Verlust empfunden,

Welch Glück dem seligen Besitz beschieden.

Wen stets des Schicksals rauher Zorn gemieden,

Hat nie der Freude Würdigung gefunden.

 

Dem Schrecken der Gefahr allein entspringen

Die Wonnen, die das trunkne Herz ergötzen

Und mit den Rosenarmen es umfassen.

 

Nur mit dem Tode mußt um sie du ringen,

An sie den Preis des ganzen Lebens setzen.

Der Liebende darf keine Opfer hassen!“

 

 

 

7. Stillleben

 

So lispelt an Mahumet’s Brust gegossen

Irene im sultanischen Divane,

Süß angeschmiegt dem jungen Muselmanne,

Der weit von sich sein Waffenkleid gestoßen.

 

Die Donner, die von seinem Mund geflossen,

Verhallten nun im weichen Liebeswahne.

So tauscht’ ein Gott das Kleid von einem Schwane,

So wob Alzides blonden Leines Sprossen.

 

Verschlungen in der Liebe gord’schen Knoten

Vergaß Mahmud des Ruhmes blut’ge Träume,

Und wiegt sich an Irenens Busenwellen.

 

Wohl rütteln an dem Thor des Wessirs Boten;

Doch dringt ihr Ruf nicht in des Harems Räume,

Wo im Genuß die üpp’gen Seelen schwellen.

 

 

 

8. Liebestaumel

 

Und glüh’nder zieh’n die Lippen, heißverschwistert,

Empor der Herzen reiche Liebesblüthen,

Die in dem Thau ergoß’ner Thränen glühten,

Je mehr sich drob der Bassen Chor verdüstert.

 

Und hätt’ der Tod das Mahnungswort geflüstert:

Den Kuß mit Lebensjahren zu vergüten;

Nur rascher hätt’ der Flammentriebe Wüthen

Auf dem entzündeten Altar geknistert.

 

Gewaltig wie im Kampf, so in der Liebe

Warb um des Augenblickes höchste Preise

Des Helden ungestümes Seelenfeuer,

 

Dem Brande gleich, der seine Wirbeltriebe

Verzehrend rasch schlingt um des Waldes Kreise,

Ob kurz die Brunst auch, wenn nur ungeheuer.

 

 

 

9. Mahnung

 

Der Aufruhr tobt, des Friedens Palmen splittern,

Der Bassen Zorn erregt ein furchtbar Grauen.

Ein Klingenwald rauscht in den bangen Auen,

Den eingeschlafnen Löwen zu erschüttern.

 

Irenens Blicke ruh’n auf ihm mit Zittern.

Wie durfte sie der Mähne Schutz vertrauen,

Wenn auf der Kampflust Riesenpulse thauen

Zur Lanzenschlacht mit Sturmesungewittern?

 

Wohl horcht er auf; doch webt der Traum die Schlingen

Des süßen Glückes, die ihn rings umsponnen,

Um ihn noch mit allmächtigen Gewalten.

 

Er kann dem Zauber nimmer sich entringen,

Die Götter werden sein im Grimme schonen,

Und unter ihm wogt tief der Menschen Walten!

 

 

 

10. Der Muselmann

 

Mahumet wiegt sich in der Düfte Fülle.

Der Moskos wallt, der Myrrhen duftend Wogen,

Der Laute Klang schlingt seiner Töne Bogen

In weichen Wellen durch des Harems Stille.

 

Und durch der Fenster seidne Purpurhülle

Ward selbst die Sonnengluth nur mild gesogen,

Vor ihren Pfeil der Rosenschild gezogen,

Daß seinem Schirm entsäus’le zarte Kühle.

 

Sein Lager darf nur Duft und Klang umzittern,

Das Sonnenaug den Lauscherblick nicht wagen

Und lüstern schauen in das süße Ringen,

 

Kein Schmerz den Wonnenbecher ihm verbittern,

Der Seufzer nur und sanfterliegend Klagen

Durch seiner Seele trunkne Ohnmacht dringen.

 

 

 

11. Ahnung

 

Und sie, der alle Blüthen Kränze wanden,

Das Diadem bestirnt der Locken Krone,

Den ´schlanken Leib umspannt die gold’ne Zone,

Der Strahlenring lichtsprühn’der Diamanten,

 

Irene, als sich alle Sterne fanden

Im Herzenshimmel ungeahnter Wonne,

Und durch der Hoffnung Nacht erschien die Sonne,

Und rings im Morgenglanz die Wünsche standen:

 

Sie hat dem Schmerz, dem Leid noch stille Thränen?

Wenn auch das höchste Glück wird zum Tyrannen,

Wer ist dann noch, der nicht im Leben trauert?

 

Sie weiß das Weh, das bange, nicht zu nennen.

Ein Traumgebild wohl ist’s, ein fernes Ahnen,

Das aus zukünft’gen Tagen sie umschauert!

 

 

12. Der Jugendtage Glück

 

So schläft die Rose in den Knospenwiegen

In ihrer Kindheit stillem Heiligthume;

Des Schmetterlings, der Biene zart Gesumme

Lockt schmeichelnd sie heraus zu frühen Siegen.

 

Dem freien Tag’ will sie entgegenfliegen,

Ausstreu’nd des Purpurs ganze Strahlensumme.

In Liebespracht neigt lächelnd sich die Blume

Und fühlt, sie muß dem Sonnenkuß erliegen.

 

Der süße Irrthum war ihr schönes Leben,

Ein Traum nur der Genuß des reinen Glückes,

Das durch des Busens Dunkel ahnend schwebte.

 

Nun fühlt sie schon die Schuld des Todes beben.

Der Thränenthau verkündet’s ihres Blickes,

Daß sie nur glücklich in der Kindheit lebte!

 

 

 

13. Die Loose der Wahl

 

Die Wolken zieh’n der wildentflammten Zeiten.

Wo Fels und Eppig brünst’ger sich umschlingen,

Dem Weib im Herz des Glaubens Saiten klingen,

„Des Mannes Kraft nur kann ihr Glück erstreiten:“

 

Da webt sie stark den Arm um seine Seiten,

Und lehnt an ihn mit allen Zauberringen,

Die ihren Hoffnungen das Leben bringen,

Die Traumpaläste aller Seligkeiten.

 

Doch weh! gab sie dem Argen ihr Vertrauen,

Der sie mit Lügenblüthen überstreuet,

Gereift in falscher Seele gift’gem Grunde;

 

Da naht ihr, ach! des Jammers Heer mit Grauen.

Der ew’ge Schmerz hat um die Braut gefreiet.

Dem Ring gleich endlos währt die tiefe Wunde!

 

 

 

14. Der Kampfmorgen

 

Wem in der Brust des Muthes Ströme brausen,

Ein Gott der Thaten Siegelring verliehen;

Vermeid’ es, ein gemächlich Loos zu ziehen,

Wenn ihn des Sturmes Flügel laut umsausen!

 

Der Schwächling strebt dann über ihm zu hausen,

Und läßt der Rache Ranken üppig blühen.

Der Feinde schmachgedenke Schaaren glühen

Und dräu’n Mahumet’s jungem Reich mit Grausen.

 

Der Syrier Fürstensöhne, die Tryballen,

Hunniades, der Ungarn kecker Degen,

Die Servier, die list’gen Genuesen,

 

Sie lassen hoch die Kriegesfahnen wallen,

Und alle Kräfte kampfentflammt sich regen,

Vom Übermuth der Türken zu genesen!

 

 

 

15. Des Muthes Laune

 

Als jüngst die Stadt der schönen Dardanelle

Das Christenkreuz in matte Glorie sinken,

Der Mond des Sieges ersten Strahl ließ blinken

Und leuchtend niedergoß des Aufgangs Helle;

 

Da braust’ der Bassen angestürmte Welle,

Und ihrer Schwerter krumme Blitze winken

Dem Mahmud, rasch vom Ruhmeskelch zu trinken,

Der sprudelnd schäumte an des Pontus Quelle.

 

Dort war der ehrne Becher leicht zu fassen.

Nun regt der Wind mit Ungewitters Drohen

Der Feinde Fahnenfluth und hundert Kiele.

 

Nun schweigt, nun ruht die Schaar der kühnen Bassen?

Die Seele ist dem Hyderleib entflohen,

Seit Mahmud sank in Sybarithwenpfühle.

 

 

 

16. Die Rüstung

 

Ihn weckte nicht der Feind in nahen Räumen.

Er kennt die Namen, so die Wache halten.

Doch jetzt, sie ruh’n die sklavischen Gewalten!

Nun mahnt’s ihn streng, der Ruh’ sich zu entzäumen.

 

Er schmettert auf aus eitlem Spiel und Träumen

Und greift in sich, und fühlt, der Seele Falten

Entströ’ ein Quell kampfmunterer Gestalten,

Und fühlt der Heldenkräfte sprudelnd Schäumen.

 

Die Seide weicht der Rüstung rauhem Eisen,

Und klirren hören es die scheuen Bassen

Und denken bang der Ruhe blöder Sünden.

 

So wenn die Sterne, die en Mond umkreisen,

Vom Sonnentrank entnüchtert feig erblassen;

Geziemt’s der Sonne, neu den Tag zu zünden.

 

 

17. Dahin

 

Versinken sah Irene mit Erbeben

Im Flammenschein der Lanzen und der Klingen

Die Blüthen, die kein Lenz kann wiederbringen,

Die Wonnen, die nur einmal glüh’n im Leben.

 

Da naht, wie einst, vom Waffenglanz umgeben,

Wo sie des Anblicks erstes Fest begingen,

Ihr der Gebieter, dem kein schmerzlich Ringen

Den stahlberingten Busen schien zu heben.

 

Und was der Elemente Künste spenden,

Die Schimmer, die das Schöne höher schminken,

Und mit der Farben Pracht den Reiz umstrahlen;

 

Das läßt er von der Dienerinnen Händen

Aus reichem Füllhorn auf sie niedersinken

Und glanzvoll um die holden Glieder wallen!

 

 

 

18. Der Schmuck des Opfers

 

Die Perle schmückt des Halses Lilienbogen;

Doch schöner glänzt die sanftgeweinte Thräne.

Der Schleier schwebt um sie, wie Silberschwäne;

Doch zarter fließt der Locken üppig Wogen.

 

Ein Türkiskranz hat ihre Stirn’ umzogen;

Doch überstrahlt ihn ihrer Augen Schöne,

Und daß vollendet die Gestalt sich kröne,

Muß sie des Purpurs Morgenroth umwogen.

 

Gering nicht darf die Liebliche sich zeigen,

Geringer nimmer, als in Eden jene,

Die ewig jung in einer Perle wohnen.

 

Vor ihr ja soll des Ruhmes Fordrung schweigen,

Die ihm die lustverschwelgten Tage nenne,

Die zu dem Schönen mit dem Süßen lohnen.

 

 

 

19. Irenens Triumph

 

So tritt er aus des Harems strengen Thoren,

Wo schweigend harrt das Volk der Muselmannen,

Umrauscht vom Wimpel bunter Kriegesfahnen,

Dem es die Kampfesfolge zugeschworen.

 

Doch selbst der kühnsten Augen glüh’n verworren,

Als sie Irenens Anblick jetzt gewonnen

Am Arm des schlachtgeschmückten Großtyrannen,

Der sich die ird’sche Houri auserkoren.

 

Sein Wort entfesselt von des Bodens Staube

Der Muselmannen scheugelenkte Blicke.

In aller Herzen brechen soll die Sonne.

 

Die zarte Scham wird ihrem Blick zum Raube;

Irene meint, ihr Schleier fliegt zurücke,

Und taumelnd allverbreitet siegt die Wonne.

 

 

20. Muselmanns Liebe

 

„Was darf, ihr Bassen, dieser Huldinn gleichen?

Ein Gott selbst wär’ vor ihr vom Thron gesunken!

Und mir entbrennt darob ihr rachetrunken,

Weil ich versank in ihrer Zauber Reichen?

 

So stürzt ihr selbst nun unter Henkerstreichen!“

Schon strömt ihr Blut. Drauf hat er Ruh’ gewunken,

Irenens Kuß dann noch einmal getrunken,

Und senkt den Dolch in ihres Busens Weichen.

 

Sie sank und haucht versöhnt des Mörders Namen,

und dieser ruft: „Mich darf kein Opfer härmen.

Die Siegsbraut mahnt; ihr gilt mein Glüh’n und Trachten.“

 

Und vorwärts mit furchtbaren Blickesflammen

(Ihm donnert nach der Krieger Allahlärmen)

Stürzt sich der Held in wildentbrannte Schlachten.